
Bild von Marina Mühlbauer
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich würde jetzt gerne sagen, dass dieses Jahr geprägt war von Sachdebatten, vom Ringen um Ideen und Motiven, die das Leben in dieser Stadt maßgeblich verbessern. Ich müßte lügen, würde ich sagen, es wäre durchgehend so gewesen. Es ist schade, verwirrend und mir unverständlich, dass die öffentliche Debatte sich oft um unwesentliche Parteipolitik oder – noch schlimmer – persönliche Diffamierung dreht. Das ist ein Umgang der sonst – aus gutem Grund – nirgendwo in der Gesellschaft salonfähig ist.
Mein persönliches Highlight der Zusammenarbeit dieses Jahr war allerdings die interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Verkehrssituation in der Ostengasse und um das Haus der bayerischen Geschichte herum – als Beispiel konstruktiver Zusammenarbeit auf der Sachebene steht das bei mir ganz oben auf der Liste, wie unsere Arbeit auch funktionieren könnte und dafür danke ich Ihnen allen ausdrücklich.
Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren angefangen, die Umstände zu gestalten, in denen Menschen in dieser Stadt leben. Wir haben beispielsweise die städtischen Reinigungskräfte in Entgeltgruppe 2 geholt und damit dafür gesorgt, dass sie als städtische Angestellte ein besseres Auskommen haben als vorher. Wir haben auch den Stadtpass eingeführt, um finanzschwachen Menschen Mobilität und kulturelle Teilhabe zu erleichtern, weil der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und den kulturellen Institutionen dieser Stadt einen wesentlichen Teil an Lebensqualität ausmacht, der nicht vom Geldbeutel bestimmt sein darf.
Wir sind aktiv geworden, was die Wohnungspolitik angeht und haben ein Maßnahmenpapier zur Verbesserung der angespannten Wohnraumsituation der Stadt verabschiedet und werden uns auch weiterhin aktiv für eine sozialverträgliche Wohnraumpolitik in Regensburg einsetzen.
Wir haben ungefähr zu dieser Zeit im letzten Jahr den kulturellen Verfügungsfonds des Kulturreferenten verdoppelt, und damit der freien Kunst- und Kulturszene Regensburgs die Möglichkeit zur weiteren Entfaltung gegeben. Wie wir vorgestern gehört haben, wird das auch gut angenommen, was mich sehr freut. Gleichzeitig haben wir beschlossen, kulturelle Unternehmungen mit institutionellem Charakter längerfristig zu fördern, um sie in dieser Stadt zu halten und zu festigen.
Wir haben als Repräsentanten dieser Stadt im vergangenen Jahr über 150.000 Menschen das Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft vermitteln können, ohne sie in ihrer Freiheit einzuschränken – ob sie nun alteingesessen oder neu angekommen sind, Michael oder Maria, Adnan oder Varsenik heissen. Wir sind alle ein wenig näher zusammengerückt, haben uns besser kennengelernt, Vorurteile abgebaut und vielfältige Begegnungsräume geschaffen. Bei uns herrschen weder chaotische Zustände wie in Berlin, noch unverhohlener Hass wie in anderen Städten unserer Größe. Ich bin dieses Jahr sehr stolz auf Regensburg und seine Kultur der Offenheit, und der umfänglichen Bereitschaft, mit anzupacken.
Auch in Sachen Transparenz sind wir im Stadtrat mutig ins 21. Jahrhundert gehechtet – trotz teilweise erbittertem Widerstand aus der Offline-Generation in diesem Gremium. Ein Teil unseres Mandats ist die Pflicht der Vermittlung unserer Arbeit. Mit der Live-Übertragung von zwei Ausschüssen haben wir erstmals einen Versuch unternommen, unsere Diskussionen und Entscheidungsfindung durch das Internet zu den Bürgerinnen und Bürgern zu bringen. Mit – wie ich finde – großem Erfolg. Ich bin sehr froh, dass wir auch im kommenden Jahr unsere Diskussionen nicht unter einer de fakto Abwesenheit der Öffentlichkeit führen müssen, sondern dass der Planungs- und der Kulturausschuss auch weiterhin im Internet abrufbar sein werden. Jetzt liegt es an uns, den Stadträten, und an den Regensburgerinnen und Regensburgern, was sie mit dem Angebot machen.
Wir werden auch im Jahr 2016 und darüber hinaus gute und hoffentlich nachhaltige Politik machen – da Entscheidungen treffen, wo die Stadt helfen kann, dass wir alle gut miteinander leben können und hoffentlich da Freiräume lassen, wo keine Einmischung von uns nötig ist – und das spiegelt auch das vorliegende Haushaltspaket. Ich freue mich darüber, dass wir auch im kommenden Jahr das bürgerschaftliche Engagement und das Ehrenamt in dieser Stadt fördern, ob nun durch die Ehrenamtskarte, oder durch andere Maßnahmen. Bürgerinitiativen und Vereine wie Flüchtlings-Initiativen, der Verein Freifunk e.V., die Slowfood-Bewegung oder Transition tragen mehr denn je dazu bei, unsere Stadt bunter und lebenswerter zu machen. Je mehr wir als Bürger Raum ergreifen, uns die Stadt zu eigen machen und sie nicht nur als den Ort begreifen, an dem wir zufällig leben, sondern als den gestaltbaren Lebensraum, in dem wir als Solidargemeinschaft zusammen sind, desto offener, vielfältiger und freier wird Regensburg werden – und das wünsche ich dieser Stadt sehr.
Zum Thema Solidargesellschaft muss ich kurz eine Geschichte erzählen, die mir gestern passiert ist: Ich stehe mit dem Fahrrad auf einer Hauptverkehrs-strasse an der roten Ampel, als auf der Nebenspur ein grosser roter Bus vorbeifährt. Ich hab mich tierisch erschrocken und wär fast vom Rad gefallen – nicht, weil der Busfahrer irgendwas falsch gemacht hätte, sondern einfach weil der Bus so gross ist und so plötzlich neben mir auftaucht. Der superliebe Busfahrer hält an, schiebt sein Fenster auf und fragt, ob ich mich erschrocken hätte und ob es mir gut ginge und “wir passen schon aufeinander auf, gell?”, bevor er weiterfährt. Das ist das Miteinander, das ich meine. Wir passen aufeinander auf, wir nehmen Rücksicht und wir leben Gemeinschaft in Regensburg.
Im kommenden Jahr wird der Fokus vor allem auf der Weiterführung von Projekten liegen, die bereits eingeplant wurden und die – wie immer – vor allem im Bereich Schulen und Straßen liegen. Der von uns beschlossene Bau einer neuen fünfzügigen Grundschule auf dem Areal des ehemaligen Jahnstadions wird uns sicherlich die nächsten Jahre maßgeblich beschäftigen und wird als Einzugsschule für das neu entstehende Dörnberg-Quartier ebenso wie für den inneren Westen ein wichtiger Bezugspunkt für Familien werden.
Apropros Familien: der Ausbau des Netzes an Jugend- und Stadtteilzentren, den wir im vergangenen Jahr vorangetrieben haben und dem wir uns weiterhin verschreiben, geschieht im Wissen, dass Regensburg eine wachsende Stadt ist, die auch abseits des Zentrums mit Leben, einem guten Miteinander und Begegnungsräumen ausgestattet sein muss. In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh, dass Jugendliche ab nächstem Jahr eine hörbarere Stimme in der Stadtpolitik bekommen werden: Im Februar 2016 wird der erste Jugendbeirat des Stadtrates gewählt, und ich wünsche den Jugendlichen jetzt schon eine sachliche und konstruktive Debattenkultur.
Da wir uns aber dennoch alle mehr oder minder mit der Regensburger Altstadt identifizieren, wird sich die politische Handschrift unseres gemeinsamen Gremiums in dieser Legislaturperiode grade in den Gestaltungsentscheidungen zum Thema Altstadt zeigen:
Die steinerne Altstadt wird punktuell grün. Mehr Bäume in der Altstadt, wer hätte das gedacht? Die künstlerische Gestaltung von Sitzmöbeln und die Einrichtung von temporären Sitzgelegenheiten in Zusammenarbeit mit Studenten sind zwar finanziell Projekte, die nicht auf der mega-aufwändigen Seite liegen, aber maximale Sichtbarkeit und Veränderung des Altstadtraumes nach sich ziehen werden. Gleiches gilt für den Europabrunnen am Ernst-Reuter-Platz und den Emmeramsplatz und das evangelische Krankenhaus. Wir werden uns gemeinsam überlegen müssen, was wir mit dem Gebäude des ehemaligen Krankenhauses, mit dem Platz und dem Raum machen. Ich bin ja für Kultur, freue mich aber schon auf die vielen anderen Ideen, die noch kommen werden und die hoffentlich zu einer guten Lösung für die Stadt und ihre Bewohner führen. Gleiches gilt für das öffentliche Verkehrsnetz, das an eine expandierende Stadt angepasst werden muss und dass uns sicher noch beschäftigen wird.
Ob die Umsetzung unserer Pläne und Beschlüsse nachhaltige Wirkung haben, wird sich erst zeigen müssen. Ich hoffe es. Ich wünsche mir für das kommende Jahr jedenfalls leidenschaftliches und sachbezogenes Ringen um Ideen und Kompromisse. Denn wir haben eigentlich keine Zeit für Kindergarten.
Vielen Dank.