Romeo und Julia / tumblr Version

Screenshot tumblr Romeo und Julia

Screenshot des “Romeo und Julia” tumblrs

Das Internet, sagte schon der berühmte Online-Theoretiker Bert Brecht, das sei der Ort, an dem jeder Empfänger zugleich ein Sender sein könne. Nirgendwo sieht man den Willen zum eigenen Ausdruck mehr als auf Plattformen wie Youtube, Facebook, oder auf den verschiedenen Aggregatseiten, von denen tumblr die bekannteste ist. Hier folgt Bild an Bild, zusammenkopiert aus den Weiten des Internets, kommentarlos aufeinander, verknüpft nur durch einen diffusen, und weniger einen differenzierten ästhetischen Faden – die unterliegenden Konnotationen irgendwo im Gefühlsfeld zwischen Sehnsucht, Verlangen, Freiheit und Jugend. Als Konglomerat ergeben diese visual streams einen Abdruck dessen, was man Zeitgeist nennen könnte, oder eben Ausdruck. Ausdruck dessen, wie sich eine Generation ihr Leben schönträumt.

Dass man Aggregatsites nicht nur als digitales Poesiealbum benutzen kann, hat neulich der Münchner Regisseur Manuel Braun bewiesen. Er hat ein Stück auf tumblr inszeniert – Romeo und Julia. Und weil Manuel Braun das Internet verstanden hat, hat er nicht Theatermechanismen ins Netz gedrückt, sondern den Shakespeare so roh, so brutal und so grauenvoll wie er nun mal ist, als visual stream erzählt. Zugegeben, man muss wissen, welche visuellen Tropen tumblr hervorbringt und wie die User diese nutzen; man muss sich gehen lassen mit der oft sehr frei gehaltenen Assoziationskraft der Bilder, die nur im Zusammenhang des visual streams ihre ganze Kraft entfaltet. Erst dann, aber dann mit Gewalt, ist man dieser Inszenierung völlig ergeben. Wer hier versucht, in Einzelbildern spezielle Symbole zu erkennen (wie Spiegel Online es etwas unbeholfen tut, als ein Bild Putins kurzerhand zu der Figur von Julias Vater deklariert wird), der bleibt aussen vor in der trockenen Region des rätselnden Entschlüsselers. Hier geht es nicht um das konkrete Einzelbild – hier geht es um die durch assoziative Ästhetik hervorgerufene Emotion. tumblr eben. Und jetzt auch Shakespeare.

Braun verzichtet in seinem Bilderreigen fast vollständig auf erklärenden Text; nur hier und da sind markante Zitate eingestreut, die in etwa erraten lassen, wo in der Geschichte wir uns befinden (die URL der einzelnen Szenen und Akte ist da auch aufschlussreich). Die Sogkraft der Bilder und animated GIFs wird nur in der Balkonszene ergreifend durchbrochen, in der Braun verschiedensprachige Dialoge aus der Szene aneinandermontiert und mit einem einfachen “just listen” kommentiert. Das ist nicht nur zum Heulen schön, sondern greift auch auf, wie sehr auf das Sichtbare, Ansehnliche das Internet bezogen ist. Hier, wo wir nur Stimmen hören, in Sprachen, die wir vielleicht nicht kennen, geht es rein um das intonierte Verlangen, die Sehnsucht, das quasi paralinguistische Verzweifeln. Zweifellos einer der Höhepunkte dieser Inszenierung.

Wenn auch die von Braun innerhalb von zwei Jahren zusammengetragenen Bilder zu Beginn und Ende der Inszenierung etwas zu plakativ für meinen Geschmack sind, besticht dieses Projekt doch dadurch, dass es eines der ersten Theaterprojekte im Internet ist, das tatsächlich funktioniert. Aber ist es denn überhaupt noch Theater? Nach gängiger Definition, die Unmittelbarkeit der Darstellung, Ereignischarakter und zeitliche und räumliche Überschneidung von Darstellung und Rezeption beinhaltet, sicherlich nicht. Aber es gibt noch eine andere Definition von Theater – nach der ist alles Theater, was als Theater gedacht, und was Theater genannt wird. Nach dieser Definition ist Manuel Brauns Romeo-und-Julia-tumblr Theater. Internettheater.

Romeo und Julia. tumblr-Log. http://romeojuliablog.tumblr.com/

Haushaltsrede 2015

Tina_Haushaltsrede_2015

Bild von Marina Mühlbauer

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich würde jetzt gerne sagen, dass dieses Jahr geprägt war von Sachdebatten, vom Ringen um Ideen und Motiven, die das Leben in dieser Stadt maßgeblich verbessern. Ich müßte lügen, würde ich sagen, es wäre durchgehend so gewesen. Es ist schade, verwirrend und mir unverständlich, dass die öffentliche Debatte sich oft um unwesentliche Parteipolitik oder – noch schlimmer – persönliche Diffamierung dreht. Das ist ein Umgang der sonst – aus gutem Grund – nirgendwo in der Gesellschaft salonfähig ist.

Mein persönliches Highlight der Zusammenarbeit dieses Jahr war allerdings die interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Verkehrssituation in der Ostengasse und um das Haus der bayerischen Geschichte herum – als Beispiel konstruktiver Zusammenarbeit auf der Sachebene steht das bei mir ganz oben auf der Liste, wie unsere Arbeit auch funktionieren könnte und dafür danke ich Ihnen allen ausdrücklich.

Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren angefangen, die Umstände zu gestalten, in denen Menschen in dieser Stadt leben. Wir haben beispielsweise die städtischen Reinigungskräfte in Entgeltgruppe 2 geholt und damit dafür gesorgt, dass sie als städtische Angestellte ein besseres Auskommen haben als vorher. Wir haben auch den Stadtpass eingeführt, um finanzschwachen Menschen Mobilität und kulturelle Teilhabe zu erleichtern, weil der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und den kulturellen Institutionen dieser Stadt einen wesentlichen Teil an Lebensqualität ausmacht, der nicht vom Geldbeutel bestimmt sein darf.

Wir sind aktiv geworden, was die Wohnungspolitik angeht und haben ein Maßnahmenpapier zur Verbesserung der angespannten Wohnraumsituation der Stadt verabschiedet und werden uns auch weiterhin aktiv für eine sozialverträgliche Wohnraumpolitik in Regensburg einsetzen.

Wir haben ungefähr zu dieser Zeit im letzten Jahr den kulturellen Verfügungsfonds des Kulturreferenten verdoppelt, und damit der freien Kunst- und Kulturszene Regensburgs die Möglichkeit zur weiteren Entfaltung gegeben. Wie wir vorgestern gehört haben, wird das auch gut angenommen, was mich sehr freut. Gleichzeitig haben wir beschlossen, kulturelle Unternehmungen mit institutionellem Charakter längerfristig zu fördern, um sie in dieser Stadt zu halten und zu festigen.

Wir haben als Repräsentanten dieser Stadt im vergangenen Jahr über 150.000 Menschen das Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft vermitteln können, ohne sie in ihrer Freiheit einzuschränken – ob sie nun alteingesessen oder neu angekommen sind, Michael oder Maria, Adnan oder Varsenik heissen. Wir sind alle ein wenig näher zusammengerückt, haben uns besser kennengelernt, Vorurteile abgebaut und vielfältige Begegnungsräume geschaffen. Bei uns herrschen weder chaotische Zustände wie in Berlin, noch unverhohlener Hass wie in anderen Städten unserer Größe. Ich bin dieses Jahr sehr stolz auf Regensburg und seine Kultur der Offenheit, und der umfänglichen Bereitschaft, mit anzupacken.

Auch in Sachen Transparenz sind wir im Stadtrat mutig ins 21. Jahrhundert gehechtet – trotz teilweise erbittertem Widerstand aus der Offline-Generation in diesem Gremium. Ein Teil unseres Mandats ist die Pflicht der Vermittlung unserer Arbeit. Mit der Live-Übertragung von zwei Ausschüssen haben wir erstmals einen Versuch unternommen, unsere Diskussionen und Entscheidungsfindung durch das Internet zu den Bürgerinnen und Bürgern zu bringen. Mit – wie ich finde – großem Erfolg. Ich bin sehr froh, dass wir auch im kommenden Jahr unsere Diskussionen nicht unter einer de fakto Abwesenheit der Öffentlichkeit führen müssen, sondern dass der Planungs- und der Kulturausschuss auch weiterhin im Internet abrufbar sein werden. Jetzt liegt es an uns, den Stadträten, und an den Regensburgerinnen und Regensburgern, was sie mit dem Angebot machen.

Wir werden auch im Jahr 2016 und darüber hinaus gute und hoffentlich nachhaltige Politik machen – da Entscheidungen treffen, wo die Stadt helfen kann, dass wir alle gut miteinander leben können und hoffentlich da Freiräume lassen, wo keine Einmischung von uns nötig ist – und das spiegelt auch das vorliegende Haushaltspaket. Ich freue mich darüber, dass wir auch im kommenden Jahr das bürgerschaftliche Engagement und das Ehrenamt in dieser Stadt fördern, ob nun durch die Ehrenamtskarte, oder durch andere Maßnahmen. Bürgerinitiativen und Vereine wie Flüchtlings-Initiativen, der Verein Freifunk e.V., die Slowfood-Bewegung oder Transition tragen mehr denn je dazu bei, unsere Stadt bunter und lebenswerter zu machen. Je mehr wir als Bürger Raum ergreifen, uns die Stadt zu eigen machen und sie nicht nur als den Ort begreifen, an dem wir zufällig leben, sondern als den gestaltbaren Lebensraum, in dem wir als Solidargemeinschaft zusammen sind, desto offener, vielfältiger und freier wird Regensburg werden – und das wünsche ich dieser Stadt sehr.

Zum Thema Solidargesellschaft muss ich kurz eine Geschichte erzählen, die mir gestern passiert ist: Ich stehe mit dem Fahrrad auf einer Hauptverkehrs-strasse an der roten Ampel, als auf der Nebenspur ein grosser roter Bus vorbeifährt. Ich hab mich tierisch erschrocken und wär fast vom Rad gefallen – nicht, weil der Busfahrer irgendwas falsch gemacht hätte, sondern einfach weil der Bus so gross ist und so plötzlich neben mir auftaucht. Der superliebe Busfahrer hält an, schiebt sein Fenster auf und fragt, ob ich mich erschrocken hätte und ob es mir gut ginge und “wir passen schon aufeinander auf, gell?”, bevor er weiterfährt. Das ist das Miteinander, das ich meine. Wir passen aufeinander auf, wir nehmen Rücksicht und wir leben Gemeinschaft in Regensburg.

Im kommenden Jahr wird der Fokus vor allem auf der Weiterführung von Projekten liegen, die bereits eingeplant wurden und die – wie immer – vor allem im Bereich Schulen und Straßen liegen. Der von uns beschlossene Bau einer neuen fünfzügigen Grundschule auf dem Areal des ehemaligen Jahnstadions wird uns sicherlich die nächsten Jahre maßgeblich beschäftigen und wird als Einzugsschule für das neu entstehende Dörnberg-Quartier ebenso wie für den inneren Westen ein wichtiger Bezugspunkt für Familien werden.

Apropros Familien: der Ausbau des Netzes an Jugend- und Stadtteilzentren, den wir im vergangenen Jahr vorangetrieben haben und dem wir uns weiterhin verschreiben, geschieht im Wissen, dass Regensburg eine wachsende Stadt ist, die auch abseits des Zentrums mit Leben, einem guten Miteinander und Begegnungsräumen ausgestattet sein muss. In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh, dass Jugendliche ab nächstem Jahr eine hörbarere Stimme in der Stadtpolitik bekommen werden: Im Februar 2016 wird der erste Jugendbeirat des Stadtrates gewählt, und ich wünsche den Jugendlichen jetzt schon eine sachliche und konstruktive Debattenkultur.

Da wir uns aber dennoch alle mehr oder minder mit der Regensburger Altstadt identifizieren, wird sich die politische Handschrift unseres gemeinsamen Gremiums in dieser Legislaturperiode grade in den Gestaltungsentscheidungen zum Thema Altstadt zeigen:

Die steinerne Altstadt wird punktuell grün. Mehr Bäume in der Altstadt, wer hätte das gedacht? Die künstlerische Gestaltung von Sitzmöbeln und die Einrichtung von temporären Sitzgelegenheiten in Zusammenarbeit mit Studenten sind zwar finanziell Projekte, die nicht auf der mega-aufwändigen Seite liegen, aber maximale Sichtbarkeit und Veränderung des Altstadtraumes nach sich ziehen werden. Gleiches gilt für den Europabrunnen am Ernst-Reuter-Platz und den Emmeramsplatz und das evangelische Krankenhaus. Wir werden uns gemeinsam überlegen müssen, was wir mit dem Gebäude des ehemaligen Krankenhauses, mit dem Platz und dem Raum machen. Ich bin ja für Kultur, freue mich aber schon auf die vielen anderen Ideen, die noch kommen werden und die hoffentlich zu einer guten Lösung für die Stadt und ihre Bewohner führen. Gleiches gilt für das öffentliche Verkehrsnetz, das an eine expandierende Stadt angepasst werden muss und dass uns sicher noch beschäftigen wird.

Ob die Umsetzung unserer Pläne und Beschlüsse nachhaltige Wirkung haben, wird sich erst zeigen müssen. Ich hoffe es. Ich wünsche mir für das kommende Jahr jedenfalls leidenschaftliches und sachbezogenes Ringen um Ideen und Kompromisse. Denn wir haben eigentlich keine Zeit für Kindergarten.

Vielen Dank.

Regensburg: Zwischenstand Livestream und Mediathek

Die Koalition hatte im Koalitionsvertrag eine einjährige Probephase eines Online-Politikvermittlungsprojektes beschlossen: daraus ist ein Livestream vom Planungs- sowie Kulturausschuss mit zweimonatiger Mediathek für die Sitzungen geworden. Hier ist der Zwischenstand nach den Daten nach achtmonatiger Laufzeit (ein Monat davon Sommerpause), die mir zur Auswertung vorliegen (Quelle: Snapshot, die diesen Dienst für uns anbieten). Verzeiht die schlechte Qualität der Originalgrafiken und die relative Aussagelosigkeit: ich hab das als Hardcopy bekommen und hab das leidlich abfotografiert, um es euch zeigen zu können 🙂

1. Unser Stream

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  • Durchschnittlich 299 Zugriffe pro Stream (ca. 174 User im Durchschnitt)
  • Verwaltungs-IPs werden rausgerechnet
  • auf Nachfrage kam zutage, dass die kurze Verweildauer, die in der Statistik angegeben ist, nicht aussagekräftig ist, weil es immer noch stetig zu technischen Abbrüchen kommt, was sich auf die Verweildauer auswirkt

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2. Unsere Mediathek

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  • Durchschnittlich 500 Leute pro Monat klicken auf die Videos (über 1.000 in zwei Monaten)
  • Die allermeisten Videos in der Mediathek sind unter zehn Minuten lang, deshalb tauchen in den entsprechenden Grafiken auch wenig Views auf, die massgeblich länger wären
  • eine Detailauswertung der einzelnen Videos zeigt, dass alle Videos einer Sitzung angesehen werden und nicht nur das erste
  • Verweildauer lässt vermuten, dass Videos beliebter sind, dessen Themen in den Medien besprochen wurden oder die eine längere Diskussion nach sich führten. Müsste man genauer eruieren, kann ich aus der Statistik nicht rauslesen, weil die Videos schon offline sind

mediathek-verweildauer

3. Zahlen in anderen Städten

Stadt Zugriffe Stream pro Sitzung User Mediathek pro Monat
München

1.4 Mio Einwohner

600-800 500
Burglengenfeld

12.433 Einwohner

15-150 keine
Ingolstadt (audio only)

133.000 Einwohner

616 keine
Leipzig

556.017 Einwohner

60-80 keine
Erfurt

206.380 Einwohner

405 keine
Regensburg

140.276 Einwohner

299 500

4. Kosten

Einer mit der interessantesten Punkte an der Statistik sind die bisher angefallenen Kosten. Diese belaufen sich (Stand August 2015) auf 24.752,59 Euro. Ausgehend von den Gesamtuserzahlen der 15 Sitzungen Livestream (2.606), den Gesamtuserzahlen der Mediathek (7.522) und den bisherigen Gesamtkosten (24.752,59 Euro) haben wir bisher pro Monat pro ERREICHTEM Bürger 0,30 Euro ausgegeben (2,44 Euro gesamt pro erreichtem Bürger). Findet mal ein Projekt zur kommunalen Politikvermittlung, dass mit so wenig Kohle diese Reichweite hat.

5. Werbung

Die Ankündigungen einmal für den Stream und einmal für das erstmalige Auftauchen der Videos in der Mediathek am Tag nach der Sitzung werden ausschliesslich auf dem Twitteraccount der Stadt Regensburg (2.721 Followers) und dem Facebookaccount der Stadt Regensburg (6.337 “Gefällt Mir” Angaben) verbreitet. Erst in der Kulturausschuss-Sitzung vom 29. September haben einige Regensburger Medien begonnen, den Stream live bei sich auf den Webseiten einzubinden (Auswertung dieser Sitzung noch nicht vorhanden). Bis heute nutzt kein audiovisuelles Medium (Lokalradio, Lokalfernsehen) in Regensburg Stream oder Aufzeichnungen als Quelle der kommunalpolitischen Berichterstattung, obwohl redaktionelle Bearbeitung und Verwendung zulässig wären. Auf der Ebene der Parteien und Fraktionen sind es bisher nur die Piraten und die Grünen, die den Stream in ihren Kanälen ankündigen. Eine redaktionelle Auswertung findet hier ebenfalls nicht statt (obwohl grade die Videos zu Anträgen, deren Begründung und die darauffolgende Diskussion im Sinne von Politikvermittlung auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen und Parteien spannend wäre). Hier wird momentan noch von vielen Seiten aus viel Potential verschenkt.

6. Zusammenfassung

Im Vergleich mit anderen Städten (sogar ungleich grösseren) schneidet Regensburg ziemlich gut ab, besonders im Gebrauch der Mediathek, aber auch bei den Streamzugriffen. Die Userzahlen werden bislang ohne nennenswerte Werbung erreicht. Die Kosten sind mit 30 Cent pro erreichten Bürger pro Monat als vertretbar einzustufen, zumal keine Projekte für kommunale Politikvermittlung existieren, die wirtschaftlicher wären. Könnte alles noch besser sein, aber für ‘ohne Werbung’ erreichen wir immerhin deutlich mehr Leute, als wenn wir nur die Zuschauertribüne bei den öffentlichen Sitzungen öffnen würden.

Da die Evaluationsphase noch bis Ende Januar geht, ist eine weitere Auswertung Anfang Februar vonnöten. In der Zwischenzeit wird es interessant sein zu beobachten, wie und ob die crossmediale Verwendung der Stream- und Mediathekdaten zunimmt, und wenn ja, wie sich das auf die Anzahl der erreichten Bürger auswirkt, die das Projekt von den Kosten her noch wirtschaftlicher machen. Damit halte ich das Projekt als Beihilfe zur Politikvermittlung und als nicht-vorgefiltertes Informationsangebot für sinnvoll, wirtschaftlich und erfolgreich.

Von dem Tag, an dem 174 Leute auf der Tribüne im Stadtrat sitzen, während wir Sitzung haben, träumen wir nämlich.

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Bye-bye Wochenblatt

Zeitungen-02Ich hab jetzt lange ueberlegt, wie ich das formulieren soll, deshalb hier die Entscheidung zuerst, die (laengliche) Erklaerung danach: ich habe grade das Regensburger Wochenblatt aus meinem Presseverteiler genommen und werde auch keine Anfragen der Redaktion mehr beantworten.

Mir ist bewusst, dass wir in Regensburg eine eher spaerliche Medienlandschaft haben und dass es zu meinem Auftrag als Mandatstraegerin gehoert, Transparenz und Oeffentlichkeit meiner Arbeit (auch via Medien) herzustellen. Die Frage, die sich mir beim Wochenblatt aber stellt ist: “Wuerde ich wollen, dass meine Antworten auf politische Fragen (wie beispielsweise jetzt zum CSD) neben einer Kolumne stehen, in der Vorurteile ueber Jugendliche mit Migrationshintergrund verbreitet werden?” Die Antwort ist – Nein. Will ich nicht. Ich gebe auch der Bildzeitung kein Interview, weil mich deren Inhalte und Methoden ankotzen.

Die generelle Ausrichtung des Regensburger Wochenblattes und speziell die persoenliche Meinung des Chefredakteurs, der diese woechentlich in Kolumnen veroeffentlicht, ist klar als Rechtspopulismus zu erkennen. Ich sehe mich nicht laenger in der Lage, das still zu ignorieren oder es gar als “nicht boese gemeint” zu relativieren, wie es einige meiner KollegInnen tun. Geht nicht. Kann ich nicht ruhig schlafen bei.

Ich sage also “Bye Bye Wochenblatt” und gehe stark davon aus, dass weder mir noch euch was fehlen wird. Und wenn ihr meine politische Meinung zum CSD, zur Stadtpolitik allgemein oder zu eurem Lieblingsthema wissen wollt, schreibt mir halt ne Mail, oder fragt hier, auf Facebook oder auf Twitter.

Ich bin ja schliesslich aus dem Internet.

Zuflucht braucht Raum – keine Containerghettos.

containerAm Donnerstag diese Woche, also am 11.12.2014, besprechen wir im öffentlichen Teil des Verwaltungsausschusses die geplante Errichtung einer “Unterkunft für Flüchtlinge in Modulbauweise“, also einer Containeranlage. Die Beschlußvorlage dazu bleibt sehr vage (Anlage_Ansichtsplan-Lageplan-Grundriss). Grundsätzlich sind mehrere verschiedene Ansätze zur Unterbringung von Flüchtlingen geplant, gegliedert in drei Phasen. Phase 1 ist “Hey Regensburg, hier spricht die Regierung, wir haben einen Bus mit Leuten in deine Richtung geschickt, ETA in 2 Stunden”. Für die allererste Hilfe ist die Clermont-Ferrand-Turnhalle als bewährte Stelle angedacht. Phase 2 ist ein Winterquartier, mit Platz für 200-300 Leute. Ich vermute (weil ganz klar wird das aus keiner Beschlußvorlage oder Vorabinformation), dass wir Phase 2 grade mit der Pionierkaserne lösen, wo die “Übergangserstaufnahmestelle” grad mit Containern zugebaut wird. Winterquartier heisst “Besser als Zelte, Unterbringung der Menschen nicht mehr als ein paar Monate, weil kalt draußen”. Phase 3 ist dann “neue Gruppenunterkunft für 200 Leute für ca. fünf Jahre”, also langfristig.

Zusätzlich zu diesem Phasenplan, also eher losgekoppelt, kommt noch die Erstaufnahmestelle in die Bajuwarenkaserne, die das Land grad da hinbaut. Die wird wohl im Frühjahr fertig, soweit ich informiert bin. So hab ich die Beschlußvorlage des Stadtrates jetzt verstanden.

Was kommt also in den Weinweg? Eine Containeranlage auf ein Sportplatzgelände, das 100 Leute unterbringen soll. Lieferzeitraum der Container: April 2015. Das passt eigentlich in keine der Phasen, da aber eine “langfristige Vermietung” an die Regierung der Oberpfalz geplant ist, ergibt sich daraus am ehesten Phase 3, Gruppenunterkunft. Unter dieser Prämisse habe ich mehrere Probleme mit dem Tagesordnungspunkt und ich fang jetzt mal zynischerweise mit dem Argument an, das erfahrungsgemäß am meisten zieht:

1. versteckte Kosten

Die Anschaffung und Errichtung der Anlage wird mit allen Erschließungskosten auf ca 2.1 Millionen Euro beziffert. Weiter benennt die Vorlage keine Kosten. Grade die Heizkosten werden aufgrund der naturgemäß ineffizienten Isolierung der Container nicht gering ausfallen; zudem ist bei einem Dauerbetrieb solcher Container der Materialverschleiß hoch, es entstehen also substanzielle Wartungskosten, und das jährlich, wenn wir nicht wollen, dass den Bewohnern ihr zu Hause unterm Arsch wegrottet. Desweiteren rechne ich auch mit Kosten, die mit dem improvisierten Anschluß an Be- und Entwässerung zu tun haben und die im schlechtesten Falle zu unbefriedigend funktionierenden Anlagen führen werden, die extensiv gewartet werden müssen. Gut möglich, dass wir für die tatsächlich entstehenden Kosten ordentliche Gebäude bauen oder zum Zwecke der menschenwürdigen Unterbringung ertüchtigen können.

2. Betriebszeit

Erstens und grundsätzlich: Container sind nicht zum Wohnen gemacht, sie sind nicht für Dauerbetrieb gemacht, sie sind keine Gebäude. Container sind Provisorien, die nur zeitlich begrenzt nutzbar sind. Selbst Containerfirmen geben an, dass man problemlos “mehrere Monate” in Container wohnen könne. Monate. Nicht Jahre. Wären Container so geil, würden wir alle Regensburger Wohnungsprobleme damit erschlagen: billig, stapelbar, haltbar. Ist aber nicht so. Das Zeug verrottet. Es “langfristig” vermieten zu wollen, ist eine meiner Meinung nach fahrlässige Handlung, die im blinden Glauben an Wellblech geschieht.

3. Die Größe der Container

Während mittlerweile gerichtlich geklärt ist, dass ein zu kleiner Haftraum bei Strafgefangenen gegen die Menschenwürde verstößt, ist die Leitlinie der Landesregierung bei Flüchtlingsunterkünften 7qm pro Person, worin ein Bett, ein Schrank, und eine Sitzgelegenheit pro Zimmerbewohner vorgesehen sind. In der Anlage am Weinweg sind 13.62qm pro Container eingeplant, das sind 6.81qm pro Person. Im Plan vorgesehen sind Betten und ein Tisch und zwei Stühle, von Schränken ist nichts zu erkennen – wie auch. Die passen bei 13.62qm ja nicht mehr rein. Wo die Menschen ihr Zeug aufbewahren sollen ist mir völlig unklar. Kapazitäten für Stauraum sind in der Anlage nicht vorgesehen (EDIT: im Plan ist in jedem Container ein kleines gekreuztes Viereck, das soll wohl der Schrank sein. Was die grundsätzlichen Platzprobleme dennoch nicht löst, aber danke für den Hinweis). An dieser Stelle darf jetzt jeder mal in sich gehen und überlegen, mit wievielen Personen die eigene Wohnung vollgestopft wäre bei einer solchen Belegung. Bei mir sinds 8 Leute und ein (kleines) Kind.

4. Soziale Aspekte

Die sozialen Aspekte einer solchen Anlage, mit der geplanten Belegung, dem Gedränge, der Randlage und der Dauer der Vermietung und damit Bespielung durch die Regierung liegen eigentlich auf der Hand: keinerlei Privatsphäre für die BewohnerInnen die da ja die ganze Zeit rumhängen müssen, eine potenziell hygienische Unterversorgung durch improvisierte Anschlüsse, eine beengte, im besten Fall triste, im schlechtesten Fall hoffnungslose Lage. Wir machen es den BewohnerInnen unmöglich, für eine solche Anlage, die wir ihnen hinstellen, so Sorge zu tragen, dass die nicht innerhalb kürzester Zeit runtergerockt aussieht.

Es muss echt deutlich gesagt werden: mit dem Bau einer solchen Anlage liefern wir die BewohnerInnen ans Messer all derer, die in ihnen Schmarotzer und Aussenseiter sehen wollen. Weil wir sie dazu zwingen in einem Provisorium dauerhaft zu wohnen, das ihnen wegrottet, das keinen Stauraum bietet und das einfach zuviele Leute auf zu engen Raum quetscht. Das sind Dinge, die sind in diese Anlage, in die Bau- und geplante Betriebsweise inhärent eingeschrieben. Und das ist etwas, da kann ich nicht dafür sein.

UPDATE: Da ich ja jetzt irgendwie auch das Liegenschaftsamt ™ bin und Alternativen nennen soll, ich hätte da schon ein paar Vorschläge. Was ist zum Beispiel mit dem Evangelischen KKH (gut, erst ab 2017) oder anderen Liegenschaften der evangelischen Wohltätigkeitsstiftung? Würde sogar dem Stiftungszweck entgegenkommen. Was ist mit dem Gelände der Bahn an der Kumpfmühler Brücke, das die Bahn eh an uns verkaufen will, wenn ich mich recht entsinne? Da stehen Gebäude drauf, vielleicht kann man die ertüchtigen. In der Wahlenstrasse wird ein ganzer Gebäudekomplex frei, vielleicht lässt sich der zur Wohnnutzung umwidmen? In der MZ steht ja ausserdem, wir hätten ein großes Gebäude in der Maxstrasse gekauft. Das mal ein Hotel war. Ob die Anschlüsse sich da vielleicht für fünf Jahre herrichten ließen? Und ansonsten, was ist eigentlich mit dem Kolpinghaus? Das hat doch auch was? 130 Zimmer? Und eigentlich bin ich ja für schnellstmögliche dezentrale Unterbringung. Am liebsten wär mir also, wir könnten die Gruppenunterkünfte ganz umgehen und Leute gleich in Wohngemeinschaften dezentral in der Stadt einquartieren. Mit Nachbarn, mit denen sie sich austauschen können, in durchmischten Wohnvierteln, mit Einzelhandel und Bushaltestellen in der Nähe. Und vor allem: in echten Gebäuden.

Haushaltsrede 2014

Meine Rede zur Lage der Natio… äh. also Regensburgs 🙂 Nicht enthalten der Zwischenruf des SPD-Fraktionsvorsitzenden, er möchte mit mir ne Band gründen und meine Antwort, das müsse dann aber ne Punkband sein. Enjoy.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

hi Leute.

Ursprünglich hatte ich mal überlegt, in meiner Rede einfach alle Ihre schlechten Wortspiele aus den Reden der vergangenen sechs Jahre hintereinanderzureihen und vorzulesen – das wäre bestimmt nicht aufgefallen. Ich hab mich jetzt allerdings mal für was Anderes entschieden: für brachiale Offenheit.

Als ich im Stadtrat angefangen habe, hat man mir gesagt, es bräuchte mindestens zwei Jahre, bis ich das mit den kommunalen Finanzen halbwegs kapiert hätte. Dass ich mich gut ein halbes Jahr nach der Kommunalwahl hier schon hinstellen und Ihnen meine Sicht der Dinge schildern kann, finde ich mutig. Von der Regelung dieses Gremiums, die das vorsieht, und von Ihnen, die sich jetzt vor allem anhören müssen, wie wenig Plan ich noch von kommunalen Finanzen habe. Für diesen Mut Ihrerseits bedanke ich mich.

Regensburg ist heute, im Jahre 2014, eine wohlhabende Stadt. Das heißt mitnichten, daß alle Regensburger und Regensburgerinnen das automatisch auch sind. Als kleinste Verwaltungseinheit der Solidargesellschaft ist es uns natürlich bewußt und ein Anliegen, grade die finanziell Schwachen zu unterstützen und die Maschen des sozialen Netzes so eng zu ziehen wie wir können. Unser Umgang mit Flüchtlingen, mit Wohnungslosen oder Suchtkranken soll hier exemplarisch für eine Stadtgesellschaft stehen, die niemanden einfach sich selbst überlässt. Als Solidargemeinschaft ist es unsere gemeinsame Aufgabe, die Schwachen zu stärken und die Starken auch mal einzubremsen. Im Jahre 2014 hat Regensburg die Mittel dafür.

In der Vorbereitung zu meiner Rede habe ich Ihre alten Haushaltsreden gelesen und alter Schwede, Sie nehmen ja wirklich kein Blatt vor den Mund. Aber immerhin weiss ich jetzt auch, dass Regensburg durchaus andere Zeiten hinter sich hat. Es ist immer einfacher zu sagen „Juchu, wir haben Geld und wir geben es für tolle Sachen aus“, als an den Dingen sparen zu müssen, die die Menschen da draußen als besonders einschneidend empfinden. Dennoch ist es, dank der kommunalen Selbstverwaltung, unsere gemeinsame Aufgabe als Kollegialorgan, zusammen mit der Verwaltung eine sinnvolle, nachhaltige und vernünftige Entscheidung zur Verwendung dieser Mittel zu fällen. Das finde ich ehrlich gesagt eine ganz schön große Aufgabe für die ehrenamtliche Tätigkeit.

Ich höre immer von allen Seiten, die Leute seien politikmüde und niemand interessiere sich für unsere Arbeit. Ich nehme auch an, der Anteil der Regensburgerinnen und Regensburger, die unsere Reden jemals in Gänze lesen werden, ist eher überschaubar. Mittlerweile glaube ich, das liegt nicht an den Leuten alleine, es liegt auch an der Komplexität unserer Arbeit.


Ich versuche jetzt seit fast einem halben Jahr, die vielen Ordner zu lesen und zu verstehen, die Herr Daminger mir regelmäßig nach Hause schickt; bisher mit – ich muss es zugeben – durchwachsenem Erfolg. Das liegt mitnichten an Ihnen, sondern in erster Linie an mir. Ich bin halt nach einem halben Jahr im Stadtrat doch noch mehr Bürgerin als Stadträtin. Dank Ihrer geduldigen Erklärungen weiß ich aber inzwischen immerhin, warum man Schulen erst halb verfallen lassen muss, bevor man sie sanieren kann. Ich kenne die Verfallsdauer von Straßenbelag und fange an zu verstehen, dass Finanzpolitik durchaus kreativ sein kann. Ich weiß ein Stückchen mehr darüber, wie die öffentliche Meinung die Politik beeinflusst und wie man aus der Politik heraus auch die öffentliche Meinung vor sich hertreiben kann. Ich habe mir den Wahnsinn kommunaler Finanzpolitik erklären und wieder erklären lassen, und als die Kämmerei gemerkt hat, dass das nicht so wahnsinnig fruchtet, haben sie angefangen, mir Tortendiagramme zu schicken, das fand ich besonders lieb. Wir Piraten haben sogar eigene Software, um den Haushalt zu visualisieren und somit für Laien wie mich verständlicher zu machen, aber dafür hätte ich die Haushaltsdaten in maschinenlesbarer Form gebraucht. Daran arbeiten wir aber sicherlich noch gemeinsam weiter, bis zur nächsten Haushaltsrede ist ja noch ein bisschen Zeit.

Je mehr ich mich mit dem Haushalt beschäftige, desto mehr begreife ich, wie komplex das System ist und wie wenig da normale Leute durchsteigen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel, das mich sehr fasziniert hat: Baut man beispielsweise eine Straße erst nächstes Jahr, gibt’s keine Förderungen vom Bund mehr. Investieren wir unsere Rücklagen in einer wirtschaftlichen starken Zeit wie der jetzigen, haben wir kaum Möglichkeiten, das Geld, das wir gerne ausgeben wollen, auch wirklich auszugeben—die Wirtschaft braucht unser Geld offenbar grade nicht. Aber warten, bis die privatwirtschaftlichen Aufträge ausbleiben und die Baubranche die Stadt als Anschubkurbel brauchen könnte, geht auch nicht, siehe oben. Wenn es dann auch noch statt um eine Straße um die Grünanlage eines Kindergartens geht, die erst später fertig wird, sind solche weitverzahnten Zusammenhänge oft schwer vermittelbar. 

Wie wir gehört haben, wollen wir bis 2018 fast 600 Millionen Euro ausgeben, mehr als die Hälfte davon setzen wir in Schulen und Straßen, beides traditionell die größten Brocken und beides wichtige Themen.

Andere Aspekte des jetzt vorliegenden Haushaltsvorschlages finde ich viel eingängiger und verständlicher. Vieles davon hat mit Kulturpolitik zu tun: beispielsweise, dass wir jetzt einen großangelegten Versuch zur Inventarisierung unternehmen, bevor wir einen Großteil unserer Exponate in ein neues Zentraldepot überführen, in das es nicht mehr reinregnet und in dem wir uns langsam einen Überblick verschaffen können, was wir eigentlich aufbewahren und wozu. Oder dass wir aufgrund unserer wirtschaftlich stabilen Lage Kunst und Kultur in dieser Stadt im Rahmen der freiwilligen Leistungen jetzt noch besser und mit mehr Geld fördern können: da bin ich richtig stolz drauf. Wenn wir es jetzt noch schaffen, die immer noch brachial untersubventionierten Kultureinrichtungen wie das Turmtheater oder das grade strauchelnde Lederer auf ordentliche Beine zu stellen, habe ich große Hoffnungen in die vielfältige und freie Kulturszene Regensburgs, auch wenn man natürlich über die “richtige” Art, Kultur zu fördern, streiten kann.

Dass auf der anderen Seite das großartige Haus der Musik so ein bisschen die Regensburger Elbphilharmonie wird, ist jetzt nicht so der Bringer, aber wir können es ja schlecht halbfertig stehenlassen, deshalb müssen wir da jetzt irgendwie durch, dass das Ding so teuer geworden ist. Dass wir dafür danach die Möglichkeit haben, Kindern in einem weitaus professionellerem Rahmen und mit deutlich kürzeren Wartezeiten – auch durch die Einstellung neuer Musiklehrer – das Musizieren nahezubringen, macht es in meinen Augen zu einem lohnenswerten Unterfangen. Hier sollte eigentlich jetzt noch ein Satz über die Arena und das Torglück unseres lokalen Fußballvereins kommen, aber den hab ich mir in Anbetracht der Tatsache, dass Herr Nikisch den beim Kulturschaffendenempfang am Montag schon deutlich besser gebracht hat als ich, an dieser Stelle mal verkniffen. 

Ich habe mir sagen lassen, es wäre nicht meine Aufgabe, die Haushaltsstellen detailliert zu kennen und zu gewichten. Das sehe ich ein bisschen anders, und ich werde mein Bestes geben, mich damit auseinanderzusetzen und das zu verstehen, es wird nur noch ne Weile dauern. Meine Aufgabe in diesem Gremium ist aber vor allem auch, glaubhaft zu vertreten, dass diese Ausgaben, die wir tätigen wollen, sinnvoll sind. Das sind sie sicherlich. Ich glaube an den guten Willen der Verwaltung, und ich glaube an den guten Willen von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Sie stets für diese Stadt arbeiten und die sachliche Entscheidung im Mittelpunkt Ihrer Argumentation und Ihres Denkens steht. Ich glaube, dass wir gemeinsam eine Stadt gestalten wollen, die lebenswert ist für uns alle, die wir hier seit zwanzig Jahren, zwanzig Monaten oder zwanzig Stunden leben. Ich glaube auch immer noch daran, dass wir hier gemeinsam Politik machen können, die über eine Legislaturperiode hinausblickt und mit einer gewissen Weitsicht und einem Gefühl für das große Ganze agiert und deren Blick nicht nur vor die eigene Tür fällt, sondern die auch sieht, dass wir bereits jetzt in der Zukunft leben und dass Regensburg nicht nur ein Gestern, sondern auch ein Morgen hat. In diesem Vertrauen und diesem Glauben an Sie stimme ich heute für diesen Haushalt und das Investitionsprogramm.

Sie werden ja wohl wissen, was Sie tun.

Vielen Dank.

Hörspiel-Theater: Die lächerliche Finsternis von Wolfram Lotz

Es könnte ein wilder Regie-Einfall gewesen sein: “Hey, lasst uns den Abend live im Internet übertragen. Große Teile der Story drehen sich eh um eine Radiosendung, also können wir das auch gleich als Radioshow im Netz aufbauen.” So oder vielleicht auch ganz anders wars, ich bin mir sicher.
Ich sass jedenfalls am Samstag abend zur besten Ausgehzeit vor dem Computer und habe mir die Premiere von Wolfram Lotz’ neuem Stück “Die lächerliche Finsternis” live aus dem Thalia Theater gestreamt angehört. Theater als Audiostream, das ist ja an sich schon eine wahnsinnige Idee. Und dementsprechend hat sich das, was wir da erlebt haben an den Geräten zu Hause, mitnichten mit dem überschnitten, was das Publikum vor Ort wohl erlebt haben muss.
Das Problem mit einem Audio-Only-Stream eines visuellen Erlebnisses ist unter anderem, dass Figuren nicht auf verbaler Ebene eingeführt werden. Das hat zumindest bei mir dafür gesorgt, dass ich nach dem zweiten oder dritten Aussetzen des Streams komplett raus war, was die Rollenverteilung anging – Stimmen erzählten etwas, brüllten rum oder engagierten sich für das deutsche Markisenwesen, aber es war partout nicht mehr möglich, das in irgendeinen narrativen Kontext zu stellen.
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Auch das Ende hat die Technik versaut: nachdem eine der Figuren durch das gesamte Stück hindurch insistierte, man möge ihm doch den Grund der Reise, das Motiv des Auftrages erläutern, folgte wohl eine Auflösung. Vielleicht. Ich sage “vielleicht”, weil genau in dieser Minute der Stream unterbrochen war. Fieser Cliffhanger oder technisches Versagen? Wir müssen ja alle Aspekte der Inszenierung als gegeben hinnehmen, das gilt wohl auch für die technische Übertragung. Also Cliffhanger. Wie gemein. Nachdem der Rest des Endes (wie auch große Teile dazwischen) für die Streamhörer unverständliches Gemurmel war, endete das Stück dann ziemlich abrupt mit dem frenetischen Jubel des Hamburger Publikums.
Hier ist das, was ich aus dem Hörspiel mitgenommen habe, mal so rein inhaltlich: Wolfram Lotz, der irgendwann als Deus Ex Autor auftritt, schreibt eine wilde Mischung aus Heart of Darkness, Apocalypse Now und Good Morning Vietnam. Irgendwelche Leute (von denen mindestens einer eine engagierte Lobrede auf Markisen hält) suchen irgendwelche anderen Leute auf dem Hindukusch und fahren dazu Patrouillenboot. Es geht um Socken. Irgendwann erzählt ein Lippenbär (!) die Geschichte von sich und dem Mädchen Panya, das er im Exotikurlaub erst mit Schnitzel und Cola gefügig macht und dann verführt. Er möchte sie mitnehmen in sein Heimatland, woraufhin sie Helene Fischer singt und dann offenbar vom Lippenbär gefressen wird. Spätestens hier endeten dann auch jegliche Versuche meinerseits, das Ganze in irgendeinen narrativen Kontext setzen zu wollen und ich habe angefangen, das als Dada zu rezipieren. Woraufhin der Abend schlagartig lustiger wurde – weil wir die Versatzstücke, die hörbar und verständlich waren, als Kommunikationsgrundlage hernehmen und wild assoziiert vertwittern konnten.
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Der Thalia-Twitteraccount hat noch versucht, ein bisschen mitzuschreiben, was auf der Bühne eigentlich so passiert, aber im Grunde haben wir auf Twitter unser eigenes Erlebnis dieses Abends zelebriert. Es ging um den Lippenbären (viel), wir haben uns über Astralkörper unterhalten, die uns ins Theater begleiten sollen, es ging um die notwendige Qual durch das Absingen von Helene Fischer Liedern. Ich bin mir sicher, dass das nur noch marginal mit dem Theaterabend zu tun hatte, dafür aber viel mit der assoziativen Kraft von Twitter, unterstützt durch die kontextfreien Brocken, mit denen uns der Audiostream belieferte.
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Alles in allem hatte ich einen sehr amüsanten Abend, aber inwiefern der Wolfram Lotz zuzuschreiben war, kann ich beim besten Willen nicht sagen. In diesem Sinne:
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Extremismusklausel made in Regensburg – ein Debattenbeitrag

Bang!Wir haben in Regensburg jetzt eine Extremismusklausel. Sie muss am 23.10.2014 noch durch den Stadtrat, aber das ist wohl, so wie es aussieht, nur Makulatur. Unsere neuen Kulturfoerderrichtlinien, die ansonsten echt gut geworden sind (erhoehter Foerdersatz, Verdoppelung der Vergabesumme, erhoehter Verfuegungssatz fuer den Referenten, flexiblere Antragseinreichtsfristen…) haben einen Satz, der uebel ist. Unter Punkt 2.12 heisst es dann:

Begruendete Zweifel an der politischen und weltanschaulichen Offenheit oder an der Toleranz gegenueber Andersdenkenden koennen zu einem Ausschluss der Foerderung fuehren.

Nun ist dieser Satz in mehrerlei Hinsicht problematisch. Zum Einen, weil er die Foerderwuerdigkeit an die Gesinnung der Antragsteller knuepft; zum Anderen, weil Kunst oft provokativ ist und Grenzen ueberschreitet, um Diskurse anzustossen. Deshalb haben wir auch in Deutschland die durch das Grundgesetz gedeckte Kunstfreiheit.

Erfahrungen mit der Extremismusklausel im Bund haben unter anderem Wolfgang Thierse dazu verleitet, uns ueber die Meinungsfreiheit aufzuklaeren, mit dem Ergebnis, dass der Staat nicht das Recht habe seinen Buergern vorzuschreiben, was diese zu denken haben. Das finde ich sehr einleuchtend: Taten, Projektinhalte oder Zielsetzungen die sich der Rechtsstaatlichkeit verweigern, sind strafbar und koennen geahndet werden. Gedanken, die dasselbe tun, nicht. Dass eine kommunale Foerderung aus Fairnessgruenden erstmal allen BuergerInnen offenstehen muss, versteht sich von selbst. Dass man Rechtsrockkonzerte dadurch noch lange nicht foerdern muss, ja wohl hoffentlich auch.

Ein Beispiel. Ich will, dass die NPD verboten wird. Das ist momentan im Rechtsstaat nicht durchsetzbar, aus welchen Gruenden auch immer. Dass ich das trotzdem will und denken darf, ist durch Meinungsfreiheit gedeckt. In diese Richtung etwas unternehmen darf ich halt nicht. Wenn ich jetzt in Regensburg Kunstfoerderung fuer ein Projekt mit Butterblumen beantrage, koennte also Folgendes passieren. Man googlet meinen Namen und entdeckt, dass ich gegen Nazis bin. Weltanschauliche Offenheit nicht mehr gegeben, Butterblumenprojekt gecancelt. Das ist natuerlich ein Schwachsinnsbeispiel, deckt aber auf, wie willkuerlich dieser Passus ausgelegt werden kann und wie hoch das Potential fuer Missbrauch ist.

Es heisst naemlich dort ausdruecklich nicht, dass die Projekte weltanschauliche Offenheit und Toleranz erkennen lassen muessen, sondern es wird impliziert, dass der/die Antragsteller/in diese Offenheit mitbringen muss. Eine Regierung, die restriktiver und linkenfeindlicher ist als die unsere koennte diesen Satzungspassus zum Anlass nehmen, unliebsame linke Projekte zu exen. Und das waere der kulturellen Vielfalt in unserer Stadt enorm abtraeglich.

Wir sind in der Kommune manchmal sehr weit weg von der grossen Bundespolitik. Aber so elementare Grundgesetze wie die Kunstfreiheit und die Meinungsfreiheit sollten auch in der Regensburger Kulturszene herrschen duerfen. Wir sind eine starke Gemeinschaft. Ich halte uns fuer faehig, rassistische, sexistische, homophobe, antisemitische und andere weltanschaulich intolerante Projekte auch ohne diesen Passus zu verhindern, der mehr Geschirr zerdeppert als er rettet.

Fuer die Kunstfreiheit, ihr Memmen.

 

Jugendbeirat

Jugendbeirat als Instrument der demokratischen Teilhabe. Quelle: CC-SA wikipedia

Im Jugendhilfeausschuss am 17.7.2014 und im Verwaltungsausschuss sowie im Plenum am 24.7.2014 wird unter anderem auch ein Papier beraten werden, das viele jugendpolitische Forderungen der Regensburger Piraten abdeckt, unter anderem die nach barrierefreien Spielplaetzen. Eine der wichtigsten politischen Forderungen von uns, naemlich ein Jugendstadt/beirat, der als Gremium die Interessen von Kindern und Jugendlichen vertritt, ist ebenfalls Teil des Aktionsplans “kinderfreundliche Kommune”, der von der Stadtverwaltung jetzt vorgelegt wurde.

Weil ich das Thema nicht einseitigen Interessensvertretern ueberlassen wollte, habe ich mich mal schlau gemacht, wie andere Staedte ihre Jugendparlamente organisieren. Vielerorts ist der Jugendstadtrat ein kleiner Stadtrat, mit allen eingebauten Frustrationen, die auch der Erwachsenenstadtrat am Start hat: lange Prozesse, wenig konkrete Einflussmoeglichkeiten auf politische Entscheidungen und vor allem selten ein eigener Etat, mit dem Projekte schnell umgesetzt werden koennen. Da ich mittlerweile weiss, wie aetzend lang es dauern kann, bis eigene politische Anstrengungen zu Ergebnissen fuehren, ist ein eigener Etat immens wichtig, um zuegig zu Ergebnissen zu kommen und das Frustrationslevel Jugendlicher auf ein Minimum zu beschraenken.

Vom Wahlverfahren und der allgemeinen Optik her hat mich der Jugendstadtrat in Solingen am meisten ueberzeugt. Die Webseite ist rund, informativ und aesthetisch. Die KandidatInnen haben einen einheitlichen Fragebogen, ein Praesentationsvideo und Wahlslogans auf ihren Seiten, die Wahl selbst findet in der Schule in geheimer und demokratischer Manier statt.

Ich hab aufgrund meiner Recherche mal aufgeschrieben, wie so ein Jugendbeirat in Regensburg funktionieren koennte: Wahl, Selbstverstaendnis, Arbeitsweise, Etat. Da der Umsetzungszeitraum laut vorgelegtem Aktionsplan bereits 2015 sein soll, freue ich mich sehr, in meiner Legislaturperiode als Stadtraetin den von den Piraten als einzige Partei geforderten Jugendbeirat entstehen zu sehen.

SCNR, aber: Piraten wirken 😀

Jetzt neu im Stadtrat

#StadtratRGBEs hiess ja, ich solle mehr bloggen. Ich fuerchte, ich werde da einen regelmaessigen Termin draus machen muessen, sonst wird das nichts. Viel zu viel zu viel zu tun. Vielleicht geb ich mal ein kurzes Update, was so passiert ist und an was ich zur Zeit arbeite:

Ich bin am 16. Maerz als einzige Piratin in den Regensburger Stadtrat gewaehlt worden. In den darauf folgenden Koalitionsverhandlungen bin ich Teil der Regierungskoalition von SPD, Gruenen, Freien Waehlern, FDP und Piraten geworden, nach Empfehlung durch meinen Kreisverband. Seitdem beschaeftige ich mich mit bituminoesen Strassenbelaegen und Klopapierbestellung. Ich bin im Bau- und Vergabeausschuss, im Ausschuss fuer Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen und (natuerlich) im Kulturausschuss.

Meine Woche ist seitdem anders strukturiert 🙂 Mittwoch ist Posttag, da faehrt die Kaemmerei die Stadtratspost aus. Alle Stadtraete bekommen ihre Sitzungsunterlagen, Einladungen zu Terminen und sonstige staedtische Post direkt nach Hause. Die Fraktionen (ironischerweise sind alle in diesem Stadtrat Fraktion – nur ich nicht) bekommen die Post nochmal extra. Es faellt also irre viel Papier an. Mittlerweile schon ein Regalmeter, und die Stadtratsarbeit hat noch gar nicht richtig angefangen o.O Ich frag mich, wann ich anbauen muss. Sitzungen sind meistens Mittwochs oder Donnerstags zu  unterschiedlichen Nachmittagszeiten. Leider stellt die Stadt mir keine Ehefrau, die mir den Ruecken freihaelt (so haben die anderen Stadtraete ueberwiegend ihr Familienleben organisiert, scheint mir), von daher ist das immer ein bisschen lustig mit der Vereinbarkeit von Job, Ehrenamt und Familie bei mir.

Was momentan auf meinem Schreibtisch liegt:

* KommunalpolitikerInnen-Treffen. Am Sonntag, den 13. Juli treffen sich alle neun bayerischen Piraten-Kommunalpolitiker in Regensburg im Cafe Couch, Froehliche-Tuerken-Strasse 5. Wir wollen uns kennenlernen, Anekdoten austauschen, und werden uns ein bisschen was zu Visionen, Moeglichkeiten und Grenzen kommunaler Piratenpolitik erzaehlen lassen. Ich freue mich da schon sehr drauf, vor allem weil ich noch nicht alle bayerischen Mandatstraeger (ich bin auf kommunaler Ebene die einzige Frau) kenne.

* kostenloses WLAN in der Stadt/Streaming aus Ausschuss-Sitzungen des Stadtrats. Zwei Themen, die ich grade versuche in der Stadtpolitik zu platzieren. Mal gucken, wie das so laeuft.

* Pfandringe fuer Regensburg. Das koennte, trotz Berichterstattung, ganz gut aussehen 🙂

* Emailadressen fuer Stadtratsmitglieder und Sitzungsunterlagen per Mail. Das hab ich jetzt ein bisschen vernachlaessigt, muss aber dringend sein. Zum einen haetten dann alle Stadtraete mal ne Mailadresse, die serioes und einheitlich ist (ihr wollt gar nicht wissen, wieviel Mails ich an Hasimaus@gmx oder so schreibe zur Zeit…) und zum Anderen koennte ich dann meine Papierberge durch mein Tablet ersetzen. Faende ich zumindest fuer die oeffentlichen Sitzungsunterlagen total top und kann meinetwegen auch opt-in sein, damit die alten Damen und Herren sich nicht mehr von ihrem Papier entwoehnen muessen.

Was mittelfristig drankommt:

* OpenAntrag fuer Regensburg bekanntmachen. Ein Tool fuer die EinwohnerInnen Regensburgs, die dadurch und durch mich als ihre Stadtraetin, eigene Eingaben und Antraege fuer die Stadt schreiben und einreichen koennen. Supercool, da muss allerdings der Kreisverband mitziehen und eine PR-Kampagne drumrumstricken. ToDo.

* Offener Haushalt fuer Regensburg. Visualisierung der Haushaltsdaten, da muessen wir uns dringend im Sommer dranklemmen, weil im Herbst die Haushaltsberatungen sein werden.

Ja, also. Ahem. Es gibt viel zu tun. I’ll keep you posted. Hoffentlich.